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Forum Classicum auf CD-ROM
Wollten Sie schon einmal wissen, ob sich einer der Autoren des Forum Classicum bzw. des
MDAV in den letzten sechs Jahren zu Wittgenstein oder zu Wilamowitz geäußert hat? Waren
Sie schon einmal auf der Suche nach den Publikationen eines ehemaligen Studienkollegen,
ohne über einschlägige und aktuelle bibliographische Hilfsmittel zu verfügen?
Interessiert es Sie vielleicht, ob Ihr Heimatort oder Ihr letztes Exkursionsziel schon
einmal im Forum Classicum erwähnt wurde?
Wenn Ihnen Ihr privates Interesse oder fachliche Notwendigkeit bisher solche Fragen
vorlegte, dann konnten Sie sich entweder selbst an das Durchforsten der etwa 1400 Seiten
(seit 1994) machen oder die Sucharbeit an gute Freunde oder zuverlässige
Schüler/Studenten delegieren. Nun gibt es jedoch eine Lösung, die zugleich Zeit und
Nerven spart: Im Januar 2000 erscheint eine CD-ROM, die Ihnen vollen Zugriff auf die
mannigfaltigen Informationen des Forum Classicum ermöglicht. Gerade die Rubriken
Zeitschriftenschau", Besprechungen" sowie die kurzen Nachrichten der
Berichte und
Mitteilungen" öffnen sich so den Gesetzen des Informationszeitalters (vgl. die
entsprechenden CD-ROMs großer Tageszeitungen), während sich die größeren Aufsätze
mühelos nach Spezialbegriffen durchsuchen lassen.
Die CD-ROM enthält den vollständigen Text sowie alle Abbildungen und Werbeanzeigen des
Forum Classicum von 1/97 bis 4/99 sowie des MDAV von 1/94 bis 4/96; die älteren Ausgaben
sind über ihr Inhaltsverzeichnis durchsuchbar. Die Textdateien (80 MB) liegen im
Portable Document Format" von Adobe vor; die entsprechende frei kopierbare
Lesemaschine (Adobe Acrobat Reader) ist in Form einer sich selbst installierenden Datei
auf der CD-ROM gespeichert. Mitihrer Hilfe lassen sich alle Seiten ausdrucken und über
eine umfangreiche Indexdatenbank (13 MB) komplett durchsuchen.

Das Portable Document Format" (PDF) von Adobe ist speziell für
das plattformübergreifende, elektronische Publizieren großer Textmengen mit
kompliziertem Layout geschaffen worden und daher auch für den Bereich der Alten Sprachen
äußerst interessant. Die einfache Erzeugung einer PDF-Datei gewährleistet, dass unsere
CD-ROM jährlich aktualisiert werden kann; die Datei der jeweils aktuellen Ausgabe kann
bei Bedarf auch über die Homepage des DAV nachgeladen werden, ist aber recht umfangreich
(je nach Bebilderung 3-7 MB komprimiert, aktualisierter Index ca. 15 MB). In Anbetracht
dieser Dateigrößen sollte Ihr Computer über mindestens 16 MB Arbeitsspeicher verfügen.
Die neuen Medien haben anstelle des vielfach erhofften qualitativen Fortschritts oft nur
einen
quantitativen gebracht; doch auch dieser sollte - vor allem unter Altphilologen - nicht
ausgeschlagen werden. Der sinnvolle Einsatz neuer Medien kann nach wie vor gesteigert
werden. Deshalb fördert der DAV die Verbreitung der CD-ROM, indem er sie an Interessenten
zum Selbstkostenpreis von DM 18,- (incl. Porto) abgibt; um die Herstellung kalkulieren zu
können, bitten wir um Subskription bis zum 31. Januar 2000; nach dieser Frist wird der
Preis DM 20,- pro CD betragen. Richten Sie Ihre Bestellung unter Beilage eines
Verrechnungsschecks oder des Betrages in Briefmarken bitte direkt an: StR Rüdiger
Hobohm, Luitpoldstr. 40, 85072 Eichstätt, Tel./Fax: 0 84 21 - 90 27 60.
Rüdiger Hobohm, Eichstätt


Zur Linguistikausbildung im universitären Lateinstudium
Eine Entgegnung zur Empfehlung der gemeinsamen Kommission
Sprachwissenschaft der Mommsen-Gesellschaft und des Deutschen Altphilologenverbandes
In Forum Classicum 3/99, 172ff., ist eine - auch an die Mitglieder der
Mommsen-Gesellschaft versandte - Empfehlung betreffend Linguistikausbildung im
universitären Lateinstudium publiziert worden. Dass darin für alle Studierenden der
Klassischen Philologie eine Einführung in die Sprachwissenschaft (2
Semesterwochenstunden) gefordert und eine Vorlesung zur Sprachgeschichte sowie ein
(Pro)Seminar zu einem sprachwissenschaftlichen Thema (je 2 Semesterwochenstunden)
mindestens anzubieten dringend empfohlen wird, kann ich nur unterstützen, ja ich
betrachte dies als das absolute Minimum.
Das Empfehlungs-Papier hat indessen einen großen Haken, der mich veranlasst, recht
kritisch dazu Stellung zu nehmen: Es gibt nämlich keine Antwort auf die Frage, wer denn
diese Stunden halten soll.
Es wird ja wohl in Deutschland nicht die Erwartung herrschen, dass in naher Zukunft jedem
Seminar für Klassische Philologie eine Professur für griechische und lateinische
Sprachwissenschaft bewilligt werden wird, geschweige denn je eine. Nur vollwertige, die
Kontinuität sichernde Stellen aber können dem dargestellten Zweck dienen.
Damit stünde die ganze Empfehlung, so gut gemeint sie ist, auch schon praktisch mit einem
Fuß im Grab. Ich möchte aber weitergehen und an einen in letzter Zeit etwas aus dem
Blick geratenen, früher aber sehr bewährten Ausweg aus der schwierigen Situation
erinnern.
Die Kommission schreibt: Die Vermittlung sprachwissenschaftlicher Kenntnisse
unterblieb daher vielerorts entweder ganz oder war dem ortsansässigen Indogermanisten
überlassen, ohne daß man bedachte, daß die Indogermanistik eine andere
wissenschaftliche Aufgabe wahrzunehmen hat als die Klassische Philologie."
Dies ist zu modifizieren. Die Indogermanistik hat in vielerlei Hinsicht sich mit denen der
Klas
sischen Philologie überschneidende Aufgaben. Insbesondere sind die griechische und
lateinische Sprache, und damit auch manche wichtigen in diesen Sprachen geschriebenen
Texte, von jeher prominente Betätigungsfelder der Indogermanisten, sind doch diese
Sprachen zwei der drei wirklich gut bezeugten älteren Mitglieder der erforschten
Sprachfamilie. Denken wir nur an die Beiträge eines Schulze, Wackernagel, Sommer. Ich
hätte auch durchaus Mühe, heutige Ordinarien der
Indogermanistik zu benennen, denen ich die für die geforderten Kurse nötigen Kenntnisse
in Latein und Griechisch absprechen müsste. Das Problem scheint mir einzig in einer
mangelnden Kooperation der Klassischen Philologie und der Indogermanistik zu liegen. Dies
liegt zweifellos an beiden Seiten, und an beiden Seiten wäre es nun auch, diese
Kooperation, die früher ganz selbstverständlich war, wiederherzustellen, etwa durch
Vergabe von Lehraufträgen in Griechischer und Lateinischer Sprachwissenschaft an den
Indogermanisten und seine Mitarbeiter und umgekehrt durch geeignete Angebote der
Klassischen Philologie für die Studierenden der Indogermanistik, denen eine fundierte
philologische Ausbildung nur gut tun kann, ferner durch gemeinsam durchgeführte
Lehrveranstaltungen usw. Gerade Referat und Korreferat für Magister- und Doktorarbeiten
mit teils philologischer, teils sprachwissenschaftlicher Thematik sind ausgezeichnete
Gelegenheiten zur Zusammenarbeit. Der Passus: Eine sprachwissenschaftliche
Magisterarbeit oder Promotion auf dem Gebiet der Alten Sprachen kann nur unter großen
Schwierigkeiten betreut werden, weil meist kein kompetenter philologischer Fachvertreter
zur Verfügung steht und weil die Fakultäten eher dazu neigen, derartige Arbeiten in den
Zuständigkeitsbereich des Indogermanisten zu verweisen. Sehr oft werden solche Arbeiten
aber schon im Ansatz mit dem Hinweis auf spätere schlechte Berufschancen für die
wissenschaftliche Laufbahn abgelehnt." stellt der Bereitschaft der Fakultäten und
der betroffenen Fachvertreter zu fachübergreifendem Denken und Handeln wahrlich kein
gutes Zeugnis aus und schreit regelrecht nach einer Korrektur.
Die Stoßrichtung der Empfehlung freilich zielt darauf, die sachlichen Bande zwischen
Indogermanisten und Klassischen Philologen durch Einführung von Sprachwissenschaftlern in
der Klassischen Philologie nun sogar institutionell zu durchtrennen. Das halte ich für
verkehrt. Und ich halte es auch für unnötig. Denn was die Kommission als Erfordernisse
für die sprachwissenschaftliche Ausbildung der Philologen auflistet, leistet der seriöse
Indogermanist schon heute. Es ist eine verbreitete Irrmeinung, die neuen
sprachwissenschaftlichen Strömungen seien an der Indogermanistik ohne Wirkung
vorbeigegangen. Selbstverständlich nimmt diese alles, was sie davon für die Zwecke der
historischen Sprachwissenschaft brauchen kann, mit Freuden auf, einmal abgesehen davon,
dass einiges davon ja nur (gute) alte Ware in (besserer oder schlechterer) neuer
Verpackung ist.
Dagegen hat die synchrone Sprachwissenschaft erst vor kurzem begonnen, sich der
historischen Dimension wieder zu besinnen, und die Resultate dieses Umweg-Zugangs, gerade
auch die Experimente mit Themen aus den Alten Sprachen, sind erst zu einem kleinen Teil
als gelungen oder vielversprechend zu bezeichnen.
Die historische Dimension, so richtig es ist, sie wiederzubeleben, genügt eben nicht.
Für eine fundierte Sprachwissenschaft der Alten Sprachen ist der
historisch-sprachvergleichende Aspekt unverzichtbar. Das fängt schon bei der Koppelung
der Sprachen Latein und Griechisch an, von denen die Vertreter der glottologia
latina, glottologia greca, linguistique latine, linguistique grecque" meistens nur
eine im Auge haben. Wie aber soll der Sprachwissenschaftler ein griechisch-lateinisches
Problem des häufigen Typs Entlehnt oder urverwandt?" beurteilen, wenn er nicht
einmal die beiden betroffenen Sprachen,
geschweige denn die anderen indogermanischen Sprachen sprachwissenschaftlich überblickt?
Im einzelnen zu den aufgezählten Erfordernissen:
Sprachwissenschaftliche Terminologie (auch z. B. Phon / Phonem, Morphem) lernt man in der
Indogermanistik routinemässig. Von der Phonologie schreibt die Kommission selber, dass
sie mit derjenigen der modernen Sprachen nicht zu schaffen ist. Die Erarbeitung des
synchronen Lautsystems jeder Sprachstufe (von Homer bis Nonnos, von Plautus bis
Prudentius) war schon immer eine der Grundaufgaben der historischen Lautlehre. Auch in
Prosodie und Metrik waren es die
Sprachwissenschaftler alter Schule, die die wissenschaftlichen Erkenntnisse gewannen. Im
Griechischen ist synchrone Lautlehre nicht ohne Beherrschung der historisch-vergleichenden
Dialektologie zu meistern, im Latein nicht ohne genaue Kenntnis der zeitgenössischen
griechischen Aussprache. Im übrigen ist die Frage der Annäherung an die
korrekte" Aussprache von einem gewissen Punkt an Geschmackssache und das
Aufheben, das wegen Fragen wie Zäsar oder Kaesar?"
gemacht wird, völlig übertrieben; wir werden sowieso nie auch nur annähernd akzentfrei
Latein oder Griechisch sprechen, was sofort klar wird, wenn man sich vor Augen führt,
dass in Umbrien Cicero schon Jahrhunderte vor Cicero mit einem Zischlaut und Caesar schon
Jahrhunderte vor Caesar mit [e:] ausgesprochen wurde. Die für unverzichtbar erklärte
historische Lautlehre mit ihren Gesetzen und Regeln des Lautwandels schließlich ist ohne
indogermanistischen Sprachvergleich blutleer: Man kann lange behaupten, dass gr.
èåßíù und öüíïò oder lat. facere und abdere je dieselbe Wurzel enthalten,
bewiesen werden kann es nur anhand von Gleichungen mit Formen in anderen Sprachen.
Was die Morphologie betrifft, ist es immer lehrreich zu zeigen, dass das Morphem
(einschließlich des Nullmorphems) eine Erfindung der altindischen Grammatiker ist, dass
in der Indogermanistik die Morpheme verschiedener Funktion auseinandergehalten wurden und
werden (Flexionsendungen, Stammbildungssuffixe, Wortbildungssuffixe etc.), und erst die
jüngere Sprachwissenschaft aus theoretischen Erwägungen sowie aufgrund spezieller
Voraussetzungen in modernen europäischen Sprachen unter dem Namen Morphem"
alles in einen Topf zusammengeworfen hat. Gerade in der
Morphologie, und ebenso in der Wortbildungslehre, ist ein Einblick in die dritte
klassische indogermanische Sprache, das Sanskrit, nach wie vor speziell für Klassische
Philologen ein großer und durch nichts anderes ersetzbarer Gewinn - und dient erst noch
der kulturhistorischen Horizonterweiterung, etwa durch den Vergleich von Rigveda-Hymnen
mit den Homerischen Hymnen und Epen. Die Sanskritsprache aber fällt meist in die Domäne
des Indogermanisten.
Zum Abschnitt Lexikalische Semantik und Etymologie ist erstens zu bemerken, dass die
Erklärung des Wortes lateinisch deus, griechisch èåüò sowohl von der Bildung als auch
von seinem Inhalt her" verdächtig danach klingt, als ob sich die Kommission nicht
bewusst gewesen sei, dass deus und èåüò etymologisch nicht miteinander verwandt sind;
zweitens, dass die am Ende des Abschnittes als fundamentale sprachphilosophische
Erkenntnis" angepriesene Sapir-Whorf-These heute
als widerlegt gilt.
Die Syntax ist wohl das am meisten diskutierte Gebiet in der jüngeren Sprachwissenschaft.
Experimente mit valenz- und dependenzgrammatischen Ansätzen sind durchaus instruktiv,
transformations- grammatische Experimente ebenso, jedenfalls wenn sie auf terminologisch
menschenfreundliche Weise durchgeführt werden und auch nicht verschwiegen wird, dass die
Satzgliederanalyse oder die Überführung eines temporalen Nebensatzes in einen Ablativus
absolutus, wie sie im Lateinunterricht schon immer geübt wurde, im Grunde auf dasselbe
hinauslaufen. Der Indogermanist, der die neueren
Theorien fundiert mit der hochentwickelten traditionellen Syntax (z. B. Kühner-Stegmann)
vergleichen kann, bietet hier - jedenfalls bei der Darstellung der Alten Sprachen - am
ehesten Gewähr für ein ausgewogenes Bild.
In der Textlinguistik (auch Pragmatik, Discourse analysis usw.) liegen meiner
persönlichen Ansicht nach die meisten auch für die Alten Sprachen instruktiven und
wertvollen Erkenntnisse der jüngeren Sprachwissenschaft, wobei auch hier die zahlreichen
früheren Teilerkenntnisse aus der traditionellen Rhetorik, Stilistik und Grammatik nicht
gering geschätzt werden dürfen.
Varietäten- und Soziolinguistik sind zwar relativ neue sprachwissenschaftliche
Richtungen, doch sind zu ihrer Erforschung im Bereich der Alten Sprachen gute
etymologische und (im Falle des Griechischen) dialektologische Kenntnisse unabdingbar.
Dass hier auch der Vergleich mit den Verhältnissen in anderen, verwandten Sprachen und
Literaturen wertvolle zusätzliche Einsichten vermitteln können, sei nur angedeutet.
Die Darstellung der lateinischen und der griechischen Sprachgeschichte gehört ebenfalls
zum Pflichtenheft des Indogermanisten, wobei das Fortleben des Lateins ins Vulgärlatein
und die romanischen Sprachen hinein wohl tatsächlich in der Lehre oft zu kurz kommt. Hier
sehe ich eine wichtige Aufgabe des heute meist einzigen Vertreters der
historisch-sprachvergleichenden Optik und Methode, des Indogermanisten, nämlich auch
diese zweite Hälfte" der lateinischen Sprachgeschichte vermehrt in seine Lehre
(und Forschung) einzubeziehen. Dafür braucht es gewiss keine neuen
sprachwissenschaftlichen Stellen innerhalb der Klassischen Philologie, vor allem wenn das
Thema auch noch in erweitertem Rahmen, d. h. die Sprachgeschichte Europas umfassend,
dargestellt werden soll (z. B. im Rahmen einer Vorlesung über Etymologie), wozu auch
Kenntnisse der germanischen, slavischen und möglichst auch der keltischen Sprachen nötig
sind.
Fazit: Die Empfehlung der Kommission ist grundsätzlich zu unterstützen, in der
Realisation aber ist sie unrealistisch, ungeeignet und Verschwendung vorhandener
Resourcen. Meine Empfehlung ist es, wieder eine enge Kooperation zwischen der Klassischen
Philologie und der Indogermanistik anzustreben, welch letztere die meisten der
dargestellten Bedürfnisse der Klassischen Philologie schon jetzt befriedigend abdecken
kann, die restlichen relativ leicht nachliefern könnte und im übrigen an einer heutigen
Universität noch viele weitere Aufgaben zu versehen hat, die eng umschriebene Dozenturen
für einzelsprachliche griechische und lateinische Sprachwissenschaft niemals versehen
können. Wünschenswert wäre bei der Realisierung der hier umrissenen Kooperation
freilich eine großzügige Abgeltung der zu erbringenden Leistungen in Form von
zusätzlichen Lehrauftragsmitteln. Dies käme immer noch bedeutend günstiger zu stehen
als die Einrichtung permanenter Stellen innerhalb der Klassischen Philologie, wie sie der
Kommission vorschweben. Ich bin mir auch sicher,
dass sich unter günstigen äußeren Umständen die allermeisten Inhaber
indogermanistischer Lehrstühle und Dozenturen freuen würden, entsprechende Angebote zu
erbringen.
Prof. Dr. Rudolf Wachter, Seminar für
Klassische Philologie, Basel

Anmerkungen zu Fr. Maier, Die Antike am Scheideweg
(Forum Classicum 3/99, S. 131ff.)
Während eines akademischen Banketts schwärmte Walter F. Otto von der unvergleichlichen
Erhabenheit der Götter Griechenlands. Da fragte Karl Reinhardt: Haben Sie denn
heute Zeus schon einen Stier geopfert, Herr Kollege?"
Die Anekdote hörte ich als junger Student von einem unserer Professoren. Sie hat sich
tief eingeprägt. Erhellte sie doch mit einem Schlag den Abstand zwischen Heute und
Damals. Umgekehrt öffnete sie uns Adepten der klassischen" Philologie ein Tor
zum differenzierten Verständnis des nächsten Fremden". Die Begeisterung für
die Gegenstände unserer Studien wurde nicht gebremst, sondern geläutert und vertieft.
Darum wurde mir bei der Lektüre von F. Maiers Leitartikel Die Antike am
Scheideweg" (F.C. 3/99) zunehmend unbehaglich. Dazu einige Bemerkungen:
1. Die Warnung vor einem fachpolitischen Verstummen im bildunsgpolitischen Konzert ist
sehr berechtigt. Aber sie bleibt leer und wirkungslos, solange nicht präzise
differenziert wird, worin nun ganz konkret ,das Angebot der Antike` besteht.
Maier bleibt, sogar für den Rahmen eines Leitartikels, zu pauschal. Begriffe wie
,humanistische Bildung`, ,klassische Studien`, ,die Antike` sind vielleicht als
kommunikative Kürzel zu verstehen, helfen aber nichts im Kontext einer
unterrichtsrelevanten Fachdidaktik. Dazu ist die Antike tatsächlich viel zu komplex und
unsere Schullektüre zu dürftig.
2. Die Aussage ,Die Alte Welt droht aus der Erinnerung der Menschen zu verschwinden`
stimmt einfach nicht, nicht einmal in dieser vorsichtigen Formulierung. Ein Blick auf die
Theaterprogramme, die Publikationen der Verlage oder auf die Besucherzahlen selbst der
nüchternsten Ausstellungen - à la opus caementicium" - beweist das Gegenteil.
Antike als Erlebnisraum, auch als historische
Kuriositätenkammer zum Beweis der eigenen Superiorität findet nach wie vor in der Fun-
und Freizeitgesellschaft ungebrochenes Interesse.
Keine Begeisterung weckt dagegen die Auseinandersetzung mit den originalen Texten dieser
Kultur. Man sieht, angesichts der Fülle guter Übersetzungen, die Notwendigkeit nicht
ein, in langwieriger Mühe zwei schwere Sprachen zu erlernen. Die miserablen schulischen
Rahmenbedingungen bewirken ein Übriges. Wie soll man auch einem mediengewieften
Jugendlichen, der überall auf schnelle Erfolge gedrillt wird, davon überzeugen, dass
sein Herumstochern im Nebel der Ahnungslosigkeit
oder bestenfalls permanenter Unsicherheit, vulgo: Übersetzen, einen bildungsrelevanten
Wert darstellen soll.
Was unter heutigen Voraussetzungen in jeder Schulstube der Bundesrepublik (mit Ausnahme
wohl einiger altsprachlicher Gymnasien) an Spracherwerb und Textarbeit überhaupt noch
möglich ist, steht in so krassem Widerspruch zu den festreden-schmückenden Werten der
humanistischen Bildung", dass gerade den engagiertesten Kolleginnen und
Kollegen die Flucht in die Introvertiertheit nicht zu verübeln ist.
Ist das Ideal zu hoch gehängt, wird es im Dunst der Allgemeinplätze schnell unsichtbar,
und die nackte Realität kann es nicht einmal mehr im Auge behalten. Wie sollte da die
,Zukunft der Antike` im Ernst von der ,engagierten Fachpolitik` abhängen?Das heißt doch
die Zunft der Altsprachler hoffnungslos überfordern.
3. Doch nehmen wir einmal an, dieser zuletzt zitierte Gedanke sei keine Überforderung der
jungen Lehrer-Generation,sondern träfe zu, so scheint mir die folgende Kritik Maiers an
der ,bloßen Methodendiskussion` des AU logischerweise verfehlt. Dies aus mehreren
Gründen:
a) Methodendiskussion ist stets praxisrelevant, betrifft den konkreten Unterricht, also
den Ort, quasi die Front", wo ,das Angebot der Antike` dank der
Methodenkompetenz der Unterrichtenden angenommen oder verworfen wird. Sie bezieht
notwendigerweise stets auch literarische oder realkundliche Inhalte ein, setzt also einen
kleinen Teil des Ideals in die Unterrichtswirklichkeit um.
b) Leider besteht immer noch, auch nach nunmehr über 30 Jahren Diskussion, großer Bedarf
an Methodikmodellen. Nicht nur, weil hinter jeder methodischen Entscheidung eine
grundsätzliche didaktische Überzeugung steht. Vor allem sind viele Vorschläge und
Erörterungen aus den Fachpublikationen nie im Klassenzimmer angekommen. Wer sich
fachkritisch umschaut, weiß, wovon ich spreche. Was sich verbessert hat, war vielerorts
nur das Layout der Lehrbücher.
c) Ohne ein persönlichkeitadäquates und überzeugend gehandhabtes Methodenkonzept ist
keine ,aktuelle
Überzeugungsarbeit` zu leisten. Weder Schüler noch Eltern lassen sich mit hehren, doch
leeren Begriffen abspeisen. Das weiß Maier natürlich. Ob die allgemeine Öffentlichkeit
nicht zuweilen auch froh wäre, konkretere Methodenkonzepte vorgelegt zu bekommen als es
in Feierstunden des Humanismus meist geschieht?
4. Unbedingt zuzustimmen ist Maier dort,wo er das ,Skandalon` der heutigen
fachdidaktischen Universitätsausbildung beklagt. Hier müsste sich in der Tat eine
gewaltige Änderung vollziehen, bedürfte es einer herkulischen Anstrengung: Die Lage ist
mehr als desolat. Es besteht nicht nur Diskussions-, sondern eiliger Handlungsbedarf. Aber
wer soll ändern? Wer handeln? Maier selbst als Insider ist zu Recht skeptisch. Mir
persönlich scheint nach 25 Jahren Ausbildertätigkeit am
Studienseminar zweifelhaft, ob selbst Herkules hier noch retten könnte.
5. Sollten wir Altsprachler uns aber nicht auch ernsthaft der Frage nähern: Ist nicht
alles transferierbare antike Gedankengut im Lauf der europäischen Geistesgeschichte so
extensiv rezipiert worden, dass in weiterer Zukunft eine persönlich-individuelle
Aneignung durch Begegnung mit
dem Original tatsächlich überflüssig wird? Mag auch der ungeheure pädagogische Wert
einer frühen Auseinandersetzung mit der ~ñ÷Þ eines Problems, die in nuce auch dessen
künftige historische Entfaltung in sich birgt, gültig bleiben, wir müssen uns der
banalen Frage stellen: Wie verhält sich der dafür heute nötige Aufwand zum tatsächlich
erreichbaren Nutzen? Ist diese Frage im Kontext schulischer Realität unberechtigt?
Fazit: Der Artikel gehört nicht zu Maiers Bestleistungen. Wir sollten uns nicht in einer
Art Endzeitstimmung zum Ewig-Allgemeinen verführen lassen. Business as usual war uns nie
vergönnt und wird es auch künftig nicht sein. Aber die Zukunft von Latein und Griechisch
als Schulsprachen hängt weder von der guten Arbeit des Einzelnen im Klassenzimmer noch
von hochwertigen Didaktik-Diskussionen oder universitärer Forschung und Lehre ab, sondern
von einem vielfältigen,
komplexen Geflecht soziokultureller Faktoren, auf die wir als Individuen nur begrenzten
Einfluss haben. Andererseits kann die dauernde Herausforderung als Ansporn zu fruchtbarer
virtus verstanden werden, für die das Werk F. Maiers selbst einverpflichtendes Beispiel
liefert.
Dieter Gaul, Bad Vilbel
Sehr geehrter Herr Professor Dr. Maier,
Ihren Artikel Die Antike am Scheideweg ..." im Forum Classicum (3/99, S.
131ff.) habe ich mit großem Interesse gelesen.
Ihre Forderung nach einer engagierte(n) Fachpolitik" und
fachpolitische(m) Engagement" für die Zukunft der Klassischen
Sprachen" findet meine nachdrückliche Zustimmung.
Nicht mehr nur" Griechisch, auch das in besonderem Maß gymnasialtypische Fach
Latein droht in unserer Zeit bei Medien, Wirtschaft, Hochschullehrern, Elternvertretern
und nicht zuletzt bei Politikern in der Frage der Akzeptanz" des Gymnasiums
(bzw. des je einzelnen Gymnasiums) durch die Eltern der Praxisorientierung" und
Kundenorientierung" zum Opfer zu fallen.
Bereits im Jahr 1992 haben Sie in Ihrem Briefwechsel mit dem damaligen bayerischen
Kultusminister Hans Zehetmair Ihre Sorge um das Fach Latein in Bayern"
ausgedrückt; in seinem Schreiben vom 15.10.99 an die Fachkolleg(inn)en spricht der
Vorsitzende des Landesverbandes Bayern im Deutschen Altphilologenverband nun von
höchster Gefahr" für das Fach Latein.
Zu Recht kritisieren Sie, es rühre sich nichts oder wenig in der klassisch
philologischen Szene, das von einer engagierten und kompetenten Teilhabe am Zeitdialog
über die ,Bildung der Zukunft` zeugen könnte", und zu Recht kritisieren Sie in
diesem Zusammenhang die Beschränkung auf den fachlich-methodisch-didaktischen
Themenbereich im Altsprachlichen Unterricht und im Gymnasium. ich persönlich würde mit
Einschränkung auch das Forum Classicum und Die Alten Sprachen
im Unterricht nennen - sollte ich mich irren, bitte ich um Nachsicht.
Nur mit Einschränkung zustimmen möchte ich Ihrer Kritik an den neuen" Latein-
und Griechischlehrern - mit großer Einschränkung deshalb, weil Sie bei den möglichen
Antworten auf die Frage nach dem Grund für ihr mangelndes fachpolitisches Engagement m.
E. zwei wesentliche Gesichtspunkte vergessen" (sit venia verbo!): die
Altersstruktur1 der Lehrerkollegien an den Gymnasien im
allgemeinen und das Durchschnittsalter der Fachkollegen für Griechisch und Latein im
besonderen sowie das neben den erschwerten Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz Schule
besonders gravierende Problem der Arbeitszeit und Arbeitsbelastung.2
Zur Ehrenrettung" meiner Fachkolleginnen und -kollegen, zu denen ich bis zu
meiner Pensionierung nach dem SchwbGes. im Jahr 1996 gehörte, und auf Grund meiner
persönlichen Erfahrungen möchte ich mir diesen Hinweis ausdrücklich erlauben.
1) Das Durchschnittsalter der Gymnasiallehrer in Bayern nähert sich der Marke von 50
Jahren, das der Altphilologen liegt bereits darüber.
2) Die Ergebnisse der einschlägigen Untersuchungen sind Ihnen sicherlich nicht unbekannt.
Mit den besten Wünschen für Sie und Ihre Arbeit und mit kollegialen Grüßen
Reinhold Beer, Amberg

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