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sehr geehrte frau hamel, ich bin überwältigt von Ihrem buch, es ist sicher eine Meisterleistung an fleiss und Sorgfalt, an liebe zum fach und an der weitergabe des wissens. einzigartig. lebten Sie in England, wären Sie eine heisse Kandidatin, zur "ritterin" geschlagen zu werden... herzliche grüsse, Michael ständer
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Herr Florian Blaschke hat mir bei der Beantwortung des 1. Punkts des vorigen Gästebucheintrags geholfen: Es war Peter Schrijver, der vorgeschlagen hat, daß die britisch-keltische Sprache einen Einfluß auf das altenglische Vokalsystem ausgeübt hat. Es ist korrekt, daß das Gotische ebenfalls einen vorderen, hellen Vokal in verwandten Wörtern hat, doch legt die Tatsache, daß im Althochdeutschen, Altsächsischen, Altniederländischen und im gesamten Altnordischen schon früh ein a-Vokal auftaucht, nahe, daß man für den gemeinsamen Vorläufer der westgermanischen Dialekte (des Ur-Westgermanischen) und auch schon den gemeinsamen Vorläufer der nord- und westgermanischen Dialekte (des Ur-Nordwestgermanischen) ein langes a in diesen Wörtern zu rekonstruieren hat. Es ist zwar korrekt, daß für das Urgermanische in Wörtern wie "Schaf" oder "schlafen" ein (langer) e-Vokal rekonstruiert wird. Aber: Im Anglofriesischen (Englischen und Friesischen) taucht vor Nasalen ein langes o auf wie im altenglischen Wort für "Mond", môna, dem althochdeutsch mâno entspricht; dies spricht gegen die alternative Möglichkeit, daß das Anglofriesische, das ansonsten ein langes æ oder e (je nach Dialekt) zeigt, schlicht die ältere Lautung bewahrt hat, und dafür, daß ein urwestgermanisches langes a im Anglofriesischen zu langem æ oder e aufgehellt wurde, sofern es nicht vor einem Nasal stand. Denn von langem æ oder e zu langem o wäre es ein größerer Schritt als von langem a zu langem o. Auch kurzes a vor Nasal wird teilweise zu o, regelmäßig vor allem dann, wenn ein Frikativ (f, th, s, h) folgt und der Nasal (unter Ersatzdehnung, außer in Nebensilben, wo die a-Färbung ebenfalls bleibt) schwindet (beispielsweise in altenglisch gôs = althochdeutsch gans). Hier ist es nicht möglich, ein kurzes æ oder e als Vorstufe anzunehmen, weil alle anderen germanischen Sprachen a zeigen. Daß die Vokalfarbe eines nasalierten a (dies ist als Zwischenstufe anzunehmen) sich in Richtung o entwickelt, ist aus dem Französischen (und auch Slawischen) gut bekannt, während ein nasaliertes æ oder e sich nirgendwo in Richtung o entwickelt, sondern allenfalls in Richtung a. Diese Parallelen stützen die Annahme, daß dem langen æ oder e im Anglofriesischen tatsächlich ein langes a zugrundeliegt und es hier nicht etwa eine ältere Stufe bewahrt, wie sie das Gotische zeigt. Auch das Lehnwort altenglisch stræt = althochdeutsch strâzza aus lateinisch strâta (via) paßt ins Bild. Hier ist urwestgermanisch *strâta zu rekonstruieren. Schrijver hat nun beobachtet, daß das britische Keltische in der fraglichen Periode (5./6. Jahrhundert, kurz vor dem Beginn der Aufspaltung in Walisisch und Südwestbritisch, woraus sich Kornisch und Bretonisch entwickelt haben) ebenfalls keinen langen a-Vokal in seinem Vokalsystem hat, denn das urkeltische lange a ist zu einem langem offenen o geworden (in anderen keltischen Sprachen hat es sich nicht verändert; auch im Altirischen bleibt es in der Regel erhalten). Somit liegt im Urbritischen ein langes offenes o und ein langes offenes e vor, aber im Bereich des a hat das urbritische Langvokalsystem eine Lücke. Sein Vorschlag ist nun, daß die Aufhellung bzw. Rundung des westgermanischen langen a im Anglofriesischen auf Sprachkontakt mit dem (britischen) Keltischen zurückgeht. Dies mag man sich so vorstellen, daß Kelten das Westgermanische mit einem keltischen Akzent ausgesprochen haben. Ansonsten waren sich das britisch- eltische und das westgermanische Lautsystem im übrigen sehr ähnlich. In meinen bisherigen Studien bin ich auf keinerlei Probleme mit Schrijvers Erklärung gestoßen. Schlechterdings zu beweisen ist sie nicht, aber sie liegt sehr nahe. Man muß nur annehmen, daß sich britisch-keltische oder angelsächsische Einflüsse in der Spätantike/Völkerwanderungszeit bis nach Friesland ausgebreitet haben (jedenfalls sofern man nicht mit britisch-keltischen Sprechern auf dem Kontinent rechnet), was bei den sicher weiterhin bestehenden engen Kontakten über die Nordsee hinweg durchaus glaubwürdig ist. Auch in späteren Zeiten (im Mittelalter) blieben die Kontakte über die Nordsee hinweg (offenbar durch Handelskontakte, insbesondere die Hanse, vermittelten) eng und sprachliche Kontakte (Lehnwörter und grammatische Konvergenz) sind nicht nur zwischen Englisch und Friesisch sowie Niederdeutsch und Niederländisch, sondern sogar mit dem Nordgermanischen - insbesondere Dänischen, Norwegischen und Schwedischen – zu beobachten.
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Ein Leser stellte folgende Fragen: Zur Lautentwicklung von altengl. slaepan 1) Im KLUGE-SEEBOLD (23. Aufl.) habe ich unter den mit schlafen verglichenen Formen in verw. Sprachen keinen Hinweis auf eine mögliche keltische Einwirkung auf diesen Verbstamm im Altengl. bzw. Engl. gefunden. Vielleicht hatten Sie dafür noch eine andere Quelle? Die Sache erscheint mir nun aber auch so dennoch verwickelter als ich zuerst annahm. Nicht nur das Altfriesische, sondern auch das Gotische, das viel weiter östlich angesiedelt war, hatte als Stammvokal -e- , nämlich slepan und Sbst. slep-s: dann sieht es eher so aus, dass das Deutsche und Altsächsische von einer gemeinsamen älteren Form fortentwickelten, also von -e- oder -ae- zu -a-. 2) Bei der Behandlung der Wörter für 'Regenbogen' in versch. europ. Sprachen wird das regional-dialektale ngr. Kyraselini als 'Frau oder Herrin Mond' o.ä. erklärt. Zufällig habe ich mich mit diesen Wörtern des Ngr. intensiv beschäftigt und darf auf meine Dissertation, Bd. II, S. 243-246 hinweisen. Auch wenn die Wortverbindung jedenfalls heute oft zum agr. selênê gestellt wird (bei keraselini von KORAIS auch zu kéras 'Horn', Ähnlichkeit von Sichel und Bogen), bitte auch berücksichtigen, dass einige Erklärer hier eine Umdeutung eines älteren Ausdrucks Kyr(i)a(s)Helenê(s) 'der Herrin Helene' (die -s vom Genitiv, das dann bei falscher Trennung an der (H)Elenê haften blieb) sehen: Helena, Mutter Kaiser Konstantins hatte als Heilige(Kreuzauffinderin) in der Ostkirche eine überragende Bed. und wurde, wie die Muttergottes bzw. ihr Gürtel mit dem Regenbogen zusammengebracht. Auf Chios ist der Regenbogen (H)Agia (H)Eleni, auf Kos und Megiste Keraseléni Tseraseléni (mit epsilon, kurzem -e- in der Mittelsilbe) gegenüber Kyraselini auf Rhodos. Einerseits waren die Mittel- und Endsilbe von Selênê in der Koine i.d.R. zu -i- geworden (Itazismus) und bei (H)Eléni nur die Ensilbe, aber durch Anklang/Paronymie, Paretymologie und die regional zeitweise auch mgl. Entwicklung der Wörter zu Seléne/Seléni bzw. Eléne/Eléni konnte dieser Unterschied ausgeglichen werden. Als Patronin der Seefahrer wurde die hl. Helene auch mit dem sog. Elms-Feuer an Schiffsmasten assoziert, einer westlichen Entstellung von (H)Elenes; daneben Erklärungen von Hermes und Elias.
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